Am Anfang des Buches will es Marco Conde scheinen, als öffne er mit der Tür der Privatbibliothek, die er gerade entdeckt hat den Weg zum Paradies, am Ende fühlt er sich, als wär’s die Büchse der Pandora gewesen.
Die Bibliothek, sie enthält Schätze von immensen Wert, sehr alte Bücher, Raritäten, kostbare Erstausgaben … alles Bücher, die außerhalb Kubas sehr gute Preise erzielten. Mario Conde, Expolizist, nun als Buchhändler unterwegs, sucht sich die ‚raus, die sich in Kuba gut verkaufen lassen und lässt die zurück, die schlecht verkäuflich sind und, ehrliche Haut die er ist, die, welche als nationales Kulturgut nicht verkauft werden dürfen. Mehrmals noch wird er mit seinem Freund und Partner, Yoyi zur Bibliothek zurückkehren um weitere Bücher mitzunehmen. Bis schließlich ein Mordfall sie stoppt.
In einem der Bücher findet Conde einen alten Zeitungsausschnitt, der über das Ende der Gesangskarriere einer jungen, offensichtlich schönen Bolerosängerin berichtet. Eine Erklärung für dieses Karriereende liefert der Artikel nicht. Conde fühlt sich eigentümlich berührt und als auf Nachfrage keiner seiner Bekannten die Sängerin zu kennen scheint, macht er sich auf die Suche nach der rätselhaften Sängerin und ihrem Karriereende.
Padura malt in Die Nebel von gestern ein Bild Kubas der Gegenwart, dass einem Hören und Sehen vergeht. Mit Menschen so verloren, mit Vierteln so elendig und dabei so von Gewalt durchsetzt, dass die Polizei sich nur noch pro forma hineinbewegt. Andererseits, das doch schon wieder mondäne Havanna mit Clubs, die einen Eintritt von 5 US$ verlangen, etwas was man eher in den Metropolen der postkommunistischen Staaten Europas gewöhnt ist.
Padura greift aber auch zurück in die Zeit, die vor Castro lag. Das Gebäude um die Bibliothek symbolisiert den Verfall, den die Castrozeit für Kuba mit sich brachte. Padura zeigt uns am Ende aber auch, dass das Leben damals auch nur für die wirklich besser war, die reich waren.
Mit einem Wort: Padura hat hier die Elemente beisammen, die man benötigt, um sich in die Krimiannalen zu schreiben.
Im Laufe der Jahre hatte Mario Conde sich darin geübt, mit den unterschiedlichsten Idealisierungen oder Verteufelungen der Vergangenheit zu leben, mochten diese, je nach Interessenlage und bisweilen mit leidenschaftlichen Eifer oder maßloser sich die Wahrheit zurechtrücken, wild darüber spekulieren oder unerschütterlich dazu schweigen. Er hatte gelernt, dass jeder Mensch, jede Generation, jedes Land, kurz gesagt jeder, ob er will oder nicht, seine Vergangenheit mit sich herumschleppen muss wie eine Sträflingskette, eine Vergangenheit, die unwiederbringlich zu ihm gehört, ob er sie nun vorteilhaft ausschmückt oder im Gegenteil ihre hervorstechenden Hässlichkeiten betont. Und die Erfahrung hatte ihn, ganz langsam und manchmal schmerzhaft, auch gelehrt, dass man die Wahrheit hermetisch in einer Truhe verschließen und den Schlüssel ins Meer werfen kann, ohne dadurch die Garantie zu haben, vor ihren verzweifelten Prankenhieben geschützt zu sein; denn weder das konsequenteste Vergessen noch die verbissensten Vorsätze sind imstande, die Schreie der Erinnerung, deren Nahrung natürlich ausschließlich ebenjene Vergangenheit ist, ein für alle Mal verstummen zu lassen.
Der Abschnitt, zugegeben ein sehr auffälliges Beispiel, zeigt ein wenig ein Dilemma des Buches. Würde ja kaum jemand leugnen, dass man die enthaltene Botschaft nicht auch wesentlich kürzer darstellen könnte. Solche Darstellungen, von denen es im Buch einige gibt, wirken ein wenig wie Fremdkörper und sie fügen weder der Person Condes, noch der Handlung, noch der Atmosphäre etwas hinzu.
Ansonsten, wenn Conde durch die verfallende Stadt wandert, sind die umfangreichen Darstellungen sehr schön und dort schafft Padura es tatsächlich die Atmosphäre der Orte heraufzubeschwören und Charaktere zu zeichnen.
Soviel Krimi war bei Padura vermutlich noch nie. Tatsächlich sieht der Autor sich der amerikanischen Krimitradition verpflichtet, eine Szene die Raymond Chandler referenziert, macht das deutlich. Vielleicht wählt Padura auch deshalb den Kniff, dem Beobachter der Conde auf der Schulter sitzt, eine zweite Stimme hinzuzufügen: Eingestreut finden sich im Text Briefe einer Frau, von der der Leser anfänglich nicht weiß, wer sie ist und an wen sie schreibt. Mit diesen Briefen gewinnt der Leser einen Wissensvorsprung, so dass am Ende Conde ohne den Leser ‚rumrätseln muss. Dee Leser, ohne diese Last wird deshalb die intuitive Vorgehensweise Condes nicht so ausgeprägt wahrnehmen.
Vielleicht, vielleicht ist es auch ganz anders, so ganz will mir der Sinn der rätseldämpfenden Briefe auf jeden Fall nicht einleuchten.
Am Ende bleibt also die Frage, wollte Padura zuviel ? Nicht unbedingt. Er hatte so einen reichen Schatz, den er erzählen wollte und konnte nicht immer Maß halten. In der Summe ist ein sehr gutes Buch, ein absolut lesenwertes Buch, das es dem Leser nicht immer einfach macht. Aber es ist auch ein Buch, bei dem mehr drin gewesen wäre.
bernd
Union Verlag 2008, 366 S., Übersetzung Hans-Joachim Hartstein
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