Nächstes Wochenende steht die Vergabe des Hammetts Prizes 2008 durch die „International Association of Crime Writers“ (IACW/NA ) an.
Die folgenden Werke sind nominiert:
• Leading Lady von Heywood Gould
• The Finder von Colin Harrison
• City of the Sun von David Levien
• The Turnaround von George Pelecanos
• South by South Bronx von Abraham Rodriguez
Dieses Jahr zeigt der Hammett Prize den Edgar Awards wie es geht. Er rückt moderne, spannende und intelligente Bücher in den Mittelpunkt. Bücher, die zeigen, dass der US-amerikanische Krimi mehr zu bieten hat als effizient geschriebene, ewig ähnliche Thriller mit depressiven Akteuren. Beinahe wirkt der Hammett Prize dieses Jahr wie ein New Yorker Regionalwettbewerb, aber die vertretenen Bücher bilden in ihrer Gesamtheit die Bandbreite der US-Gesellschaft recht gut ab.
Leading Lady handelt von alten Einwanderergruppen und deutet den Wandel der US-Gesellschaft an. Ein Einbrecher will sich rächen, nachdem er beim letzten Ding verraten wurde und trifft auf die Mafia und die US-Geheimdienste. Erzählt wird eine rasante Geschichte, mit viel Action, Toten und Lug und Betrug. Es ist eine Mischung zwischen Noir und Krimi im Mafiamilieu, mit Elementen des Spionagekrimis, unterlegt mit dem leicht schnoddrigen Ton eines Con-Artist-Krimis, so trocken ist wie bestes Brennholz. Immer wieder blitzt Ironie auf, die dem Buch eine ungemeine Leichtigkeit vermittelt.
The Finder konfrontiert die Welt der modernen chinesischen Einwanderer mit der Welt der Hochfinanzen. Ein chinesischer Gangster sucht seine in New York entführte Tochter. Vor der derzeitigen globalen Krise der Finanzmärkte geschrieben, vermittelt es doch etwas von der Arbeitsweise und Verletzlichkeit dieser Märkte. Selten hat man aber auch so klar gezeigt (nicht: erklärt) bekommen, wie denn so ein Moloch an Stadt wie New York funktioniert. Harrison ist ein Philosoph der kleinen Dinge und hat ein Gespür für die Personen. Mit seiner Geschichte und diesen Personen ist The Finder ein eigenständiges, gut erzähltes Buch. Es ist durchdacht und überhaupt klug und lädt den Leser ein über ganz unterschiedliche Dinge nachzudenken.
South by South Bronx dagegen spielt in der Welt der zweiten Generation puertoricanischer Einwanderer. Im Mittelpunkt stehen drei Männer, die irgendwie in der Schaffenskrise stecken. Maler, der eine, Autor, der zweite, Liebhaber, der Dritte. Mehr noch als die Geschichte um das „große Ding“ sind es die Personen, die im Mittelpunkt des Buches stehen, ihr Ausbruch aus der Erstarrung in der sie stecken, ist das eigentliche Thema des Buches. Darüber hinaus ist es aber auch ein Buch in dem FBI, CIA, die örtliche Polizei, das große internationale und das kleine lokale Verbrechen in der South Bronx aufeinander treffen. Sprachlich ist das Buch ungemein überzeugend: Gleich am Anfang ist es der knappe, ganz eigene Stil des Autors, der einen in den Bahn zieht, und der das Buch auch nie wieder verlässt.
George Pelecanos dagegen erzählt (wieder einmal) von den Grenzflächen schwarzer und weißer Welten. Pelecanos erzählt mit einer unaufdringlichen Selbstverständlichkeit und Effizienz, die immer wieder beeindruckt, dabei ist die Rasanz und der „Streettalk“ von früher gewichen – vielleicht spricht Sarah Weinman deshalb auch mittlerweile von der mittleren Schaffensperiode des Autors. Natürlich, Pelecanos kann da wohl nicht aus seiner Haut, es sind überwiegend Gutmenschen, die da auftreten und von einem Bösewicht aus ihrer Ruhe gerissen werden. Mit diesem Buch ist Pelecanos in der Gegenwart angekommen, der Irakkrieg und seine Folgen für die körperliche und seelische Unversehrtheit ebenso wie die Angst und die Sorgen der Angehörigen, er ist ein wichtiges Thema. Dabei richtet Pelacanos nicht, aber es ist ein Ton der zwischen Patriotismus und Verzweiflung liegt.
Einzig City of the Sun spielt in der Vorstadt. Die schöne heile Welt eines Elternpaars bricht zusammen, als eines Tages deren 12 jähriger Sohn während des Zeitungsaustragen verschwindet. Im Mittelpunkt des Buches steht der Detektiv und seine Suche, immer weder muss dieser erleben, wie er eine Spur auftut um dann zu beobachten, wie diese wie Schwarzpulver verglimmt, um dann unter der Asche nach neuen Hinweisen suchen zu müssen. Letztlich ist er so etwas wie der Retter, den die USA letztes Jahr suchten. Beschädigt, aber unbeirrbar wühlt er sich voran. Levien beherrscht es die Geschwindigkeit seiner Erzählung zu variieren und immer weder Überraschungen zu setzen. Er ist ein wunderbarer Erzähler, der nicht nur eine spannende Geschichte erzählt, sondern auch, wenn er nämlich von den Eltern und deren Leben berichtet, eine emotionale, die ohne Technicolorpathos daher kommt. Es ist ein eigentümlich geschmeidiger Stil, in dem Levien schreibt, ohne aufgesetzten Thrillereffekten,
Fünf hervorragende Bücher allesamt. Alleine mit Pelecanos The Turnaround hadere ich etwas. Es sind viele vertraute Elemente in dem Buch. Insbesondere die ersten sechzig Seiten enttäuschten mich bei aller stilistischen Qualität ein wenig, die Arbeit in der Küche des Restaurants, die raschen Wechsel der Perspektive zwischen Personen von denen der Leser ahnt, dass sie aufeinander zusteuern, ja selbst die Charaktere, alles Elementen die Pelecanos immer wieder verwendet – Alex Bussmers hingegen, der ebenfalls regelmäßig Pelecanos liest, hatte sich daran nicht gestört.
Abraham Rodriguez hat ein starkes Buch geschrieben, aber es ist nicht unbedingt das Krimielement im Buch, das überzeugt.
Die drei anderen Bücher dagegen sind absolut überzeugend. Ein wenig die Nase vorne bei mir hat Leading Lady, da es so zeitlos wirkt und Moderne und Klassik geschickt mischt.
bernd
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