Barry Eisler ist nicht nur ein Autor von spannenden Thrillern, sondern wie sein Blog The Heart of the Matter zeigt, auch ein extrem guter Beobachter und Kommentator von Politik, Gesellschaft und Literaturbusiness. In einer Folge von Beiträgen (-> 1., -> 2., -> 3.) mit dem Titel First Madonna and Radiohead; Next, James Patterson auf M.J. Rose‘ Blog Buzz, Balls & Hype hat er sich nun ein wenig mit der Zukunft des Buches als Medium und Geschäft beschäftigt.
Die Tatsache, dass Radiohead und Madonna nahezu gleichzeitig ihre Plattenfirmen verlassen haben, um sich selber zu vermarkten, sei kein Zufall sondern eine Folge der Digitalisierung von Medien. Der wesentliche Geschäftsvorteil den Plattenfirmen, Buchverlage, Filmstudios und Zeitungen in der Vergangenheit gehabt hatten und der verhinderte, dass Fremde in ihre Märkte einbrachen, war der Vertrieb. Dieses ändere sich mit der digitalen Technologie: Nicht nur die Herstellung sondern insbesondere die Verteilung wird deutlich billiger. „I’m not arguing that labels offer no value other than distribution, just that distribution has always been their *key* value, the one thing that only they could offer.“ Die genannten Zweige werden deshalb andere Möglichkeiten finden müssen einen Wettbewerbsvorteil zu generieren.
Denn die Probleme mit denen die Musikindustrie zu kämpfen hat, greifen auf andere Zweige über. Die Filmindustrie wird folgen, „As more and more theaters install digital projectors, movies will be distributed to thousands of locations with a single click of a mouse.“ und Zeitungen/Zeitschriften leiden derzeit schon, „The newspaper business — or, more broadly, mainstream media — is already reeling from its loss of distribution as a competitive advantage.“.
Dem digitalen Buch räumt er keine so große Chance ein [in einem Kommentar scheibt die diesjährige Edgargewinnerin Naomi Hirahara dagegen, dass die Lektüre von Büchern über’s Handy schon Realität sei und sie an die Zukunft des digitalen Lesens glaube: „Looking at how technology is used in Tokyo is a harbinger of what is to come here. People reading novels on their cell phones? Yup, I can see it.“]. Auf jedem Fall glaubt Eisler an die Zukunft des POD:
I’m talking about standalone print-on-demand (POD) stations like Jeff Marsh’s Espresso Book Machine that can receive a digital download, and then print out and bind a book in a matter of minutes.
At some point, as POD quality goes up and traditional book quality goes down, the two will meet in the middle.
Wenn nun die großen Buchhandelsketten, wie Thalia, Weltbild oder Karstadt oder Globus sich solche Geräte aufstellten, was würden dann passieren ?
[Sind die Geräte überhaupt erfasst durch die Buchpreisbindung ?]
Die Buchpreisbindung (BPB) in Deutschland bindet in der Praxis lediglich den Ladenpreis eines Buches nicht den Verkaufspreis an den Großhändler. Die großen Händler handeln also bessere Konditionen aus – etwas das der BPB auch eines Tages den Hals brechen wird, denn die Unterschiede im Einkaufspreis zwischen den großen und kleinen Händlern werden größer, so dass die Verbraucher mit der PPB die großen Handelsketten subventionieren. Die POD-Maschinen würden den Wettbewerbsvorteil der großen Mengenabnahme reduzieren [hier bin ich mir unsicher, die Bereitschaft ein Buch auf einer Maschine zu listen, werden die Aufsteller sich möglicherweise bezahlen lassen wollen]. Möglicherweise also eine gute Nachricht für kleinere Buchhändler, so Eisler.
Auf jeden Fall wird in der Folge die Distribution flacher, und Buchhändler werden versuchen ihre eigenen Bücher `rauszubringen, etwas das in den USA jetzt schon losgeht. In Deutschland scheint mir da Weltbild gut aufgestellt zu sein.
„My guess is, as retailers become more like publishers, publishers will become more like agents.“
Mehr den je wird es darauf ankommen, eine Marke darzustellen. Verlage selber stellen für Käufer kaum einen Grund dar, ein bestimmtes Buch zu kaufen (im Sachbuchbereich könnte es anders sein). Die einzige Marke die Eisler sieht, ist der Autorenname.
Nun denkt man ja ganz naiv, dass bei den meisten Autoren die Kapazitätsgrenze bei einem maximal zwei Büchern pro Jahr erreicht ist, aber auch hier gibt es Abhilfen. Zum einen diese Sprüche mit denen bekannte Autoren, Bücher anderer, weniger bekannter Autoren segnen (im Englischen „blurbs“ genannt) : „Blurbs are a modest form of brand extension. Blurbing a book implicitly says to a potential customer, „I’ve read this book [ha-ha] and I liked it. You trust me, so trust me when I tell you you’ll like this book, too.“
Und zum anderen das was man als Pattersonphänomen beschreiben kann. Denn James Patterson schreibt mittlerweile mit Koautoren, so schaffte er es in 2006 mit fünf verschiedenen Büchern den ersten Platz der NYT (New York Times) Bestsellerliste für insgesamt 16 Wochen inne zu haben. Wie da welche Arbeitsanteile verteilt sind, ist natürlich völlig unklar, aber es erinnert an die mittelalterlichen Schulen der Maler, wo die Bilder auch alle unter dem Namen des Meisters ‚rauskamen, aber von Schülern angefertigt worden waren – Rembrandt ist ein Beispiel.
Wie dem auch sei, es gibt viele Leute, die glauben, dass Patterson den Ausstoß seiner mit Koautoren geschriebenen Bücher locker auf zehn, vielleicht bis zu 100 Büchern erhöhen könnte.
bernd