Alan Fursts Bücher wirken immer etwas unzeitgemäß, wenig ist in ihnen zu spüren von der häufig aufgesetzten Dramatik vieler moderner Thriller. Für eine Weile wurden diese Bücher sogar ins Deutsche übertragen. Damit scheint es aber seit dem vorletzten Buch, The Foreign Correspondent wieder vorbei zu sein. Schade eigentlich, denn durch seine seidige Formulierungen und seinen unaufdringlichen Darstellungen qualifiziert sich der Autor für die Leser gediegener Lektüre – aber nicht nur für die.
Sein ewiges Thema sind die kleinen und stillen Helden, die sich im Angesichts des (drohenden ) Kriegs bewähren. Sein neues Buch, The Spies of Warshaw zeigt einen dieser typischen Helden in einem der typischen Abenteuer Fursts. Die Geschichte spielt im Warschau der späten 30er Jahre des 20. Jahrhunderts, dort gibt es ein wenig Boheme, ein wenig Weltuntergangstimmung, ein wenig „savoir vivre„. Oberstleutnant Jean-François Mercier ist der französische Militärattache dort, regelmäßige Empfänge und die Beaufsichtigung von einigen Spionen prägen seinen Alltag. Er ist nicht unerfolgreich bei den Frauen, stammt aus einer alter Familie, hat im ersten Weltkrieg gedient und diesen zwar nicht unbeschadet aber doch ohne Verlust von Gliedmaßen überstanden. Keiner also, den man einen Held nennen würde, aber jemand, der selbstverständlich zu Ende führt, was er begonnen hat.
Der Dienst langweilt ihn ein wenig. Als erst einer seiner deutschen Spione und dann auch Mercier selber in Bedrängnis kommt, öffnet sich das Tor zu einem größeren Abenteuer. Mehr noch als der Erzfeind, Frankreich scheint Polen gefährdet und es scheint nur noch eine Frage der Zeit bis Deutschland nach seinen Nachbarn greift. Wie würde Frankreich dann reagieren und wenn es zu einer Auseinandersetzung mit Deutschland käme, wie sähe Deutschlands Stratege aus ? Man müsste doch irgendwie einen Spion bei den Deutschen platzieren. Urplötzlich ist The Spies of Warsaw ein spannendes Buch. Weniger weil sich die Handlung hochdramatisch verdichtet, sondern weil es auch so scheinbar nebenbei die Auseinandersetzung zwischen den Konservativen unter Marschall Pétain und den Modernisten unter General de Gaulle um die damalige Militärdoktrin Frankreichs darstellt.
Auch hier ist wieder so eine Geschichte Fursts, die keinen rechten Anfang hat. Wir blenden uns einfach ein ins Leben Merciers und verfolgen dieses, ebenso wie am Schluss zwar eine Episode endet, aber die Geschichte, wir Nachgeborenen wissen das nur zu gut, die geht weiter. The Spies of Warsaw ist ein reiches Buch, das sich prächtig ins Werk Fursts fügt, der seine Geschichte des Vorkriegseuropas dichter und dichter knüpft.
bernd
Lieber Bernd, es schmerzt in den Augen — der eine hieß Pétain (und wäre als „maréchal de France“ allenfalls marschallsmäßig einzudeutschen), der andere de Gaulle (die Wikipedia macht’s doch auch richtig). Und bei der Gelegenheit würde aus der „…doktrie“ gleich noch die „…doktrin“ und aus „kein“ könnte man dann auch noch „keinen“ machen. Grad weil Sie das Buch so loben.
nix für ungut!
Lieber JL,
vielen Dank und Sorry.
Beste Grüße
bernd
[…] Glaubt man dem Beitrag, scheint Deutschland das einzige Land zu sein, in dem der Autor scheiterte, “There are now more than 1 million copies of his novels in print, with editions around the globe in 17 languages. Every Furst novel since Kingdom of Shadows has been a bestseller including his 10th and latest novel, The Spies of Warsaw,[…]“. […]