Krajewski scheint die Rezensenten zu fordern: Dadurch dass Krajewski ein „authentisches Sittengemälde der Zwischenkriegszeit“ präsentiere, schreibe er Bücher, die über das Genre des Krimis hinausgingen, wird die Neue Züricher auf dem Umschlag zitiert, und andernorts wird Eberhard Mock, Hauptperson der Seirie, als Antiheld bezeichnet.
Na, ich weiß nicht.
Die Bücher Krajewskis spielen in Breslau, nach dem ersten Weltkrieg. Damals war die Stadt deutsch, so deutsch, dass man im Buch des polnischen Autoren von der kleinen polnischen Minderheit nichts findet. Man kann wohl davon ausgehen, dass die verwendete Geographie der Stadt akkurat ist, ebenso korrekt zeigt das Buch vermutlich das alltägliche Leben der Zeit und die deutlich ausgeprägtere soziale Hierarchie. Und doch, abgesehen, von der grassierenden Inflation, der wir als Leser gewahr werden, merkt man sonst von den Zeitumständen relativ wenig.
Die Leichen zweier Nutten werden grausam zugerichtet gefunden, Eberhard Mock, Oberwachtmeister und bei der Sitte tätig, wird aufgrund seiner guten Beziehungen ins Milieu, hinzugezogen. Genauso schnell wird aber aber auch wieder abserviert, schließlich ist er nicht nur Kenner, sondern auch Genießer des Milieus, und wenn schon kein Säufer, so doch das was man einen Quartalssäufer nennen könnte: Ein Mal im Monat gibt er sich’s voll.
Eine gewisse zeit später gerät Mock selber dann sogar in den Blickpunkt der ermittelnden Kollegen.
Und plötzlich taucht da auch noch so ein Geheimbund auf und zur offenherzig gewalttätigen, leicht surrealen Atmosphäre gesellt sich eine leicht düstere, fast übernatürliche.
Das Buch wird von Eberhard Mock dominiert, der lateinische Verse deklamierend, seinem eigenen moralischen Leitstern folgt und sich um die gesellschaftlich akzeptierten Spielregeln wenig schert. Wenn es das Ziel erfordert und sein moralischer Kompass erlaubt, übertritt er auch Recht und Gesetz, so lässt ihn der Tod zweier Nutten nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Während die Kriminalpolizei diesen Mord instrumentalisieren will, will er diesen aufklären.
Der Begriff des Antihelden mag im literarischen Rahmen zutreffen, gemessen an dem, was da in Krimis üblicherweise unterwegs ist, relativiert sich der Begriff allerdings deutlich. Da scheint dann das einzig besondere an Eberhard Mock, dass er Polizist und nicht Privatdetektiv ist.
Wer von einem wie Marek Krajewski, Altphilologe und Dozent, ein gediegenes Buch erwartet, hat wohl eine etwas naive Vorstellung von Klassikern. Sinnenreich, leicht schräg, gut erzählt, durchaus mit Gewalt, klug und anspielungsreich ist Pest in Breslau. Es präsentiert uns durchaus ein Sittengemälde – so wie es seit Hammett halt viele Autoren mit ihren Kriminalromanen tun.
bernd