Mord am Hellweg ist ein alle zwei Jahre stattfindendes, über mehrere Wochen dauerndes Krimifestival in der Hellweg Region zwischen Dortmund, Unna und Lippstadt, Hamm und Schwerte. Die Verantwortlichen haben sich einen schönen Schachzug überlegt. Da ja nun langsam die Zahl der Festivals für Krimiliteratur auch in Deutschland ansteigt, braucht man etwas besonderes um sich abzuheben. Ein Preis soll’s sein. Einer der individuell ist, einen Wiedererkennungswert besitzt und politisch korrekt ist (hilft bei etwaigen Fördergeldern ?).
So lobt man dort nun einen Krimipreis für einen Krimiautoren europäischen Ranges aus:
Mit dem Preis wird ein/e lebende/r Autorin/Autor der Gegenwart ausgezeichnet, in deren/dessen Werk auf besondere Weise die Verantwortung für die Kriminalliteratur und ihre lebendige und zeitgemäße Weiterentwicklung zum Ausdruck kommen und deren/dessen Werk für das Genre „Krimi/Thriller“ europäischen Rang und/oder eine bedeutende Rezeption im europäischen Rahmen erreicht hat.
Das finde ich in der Tat eine interessante Idee. Nun ist zwar, anders als auf der Homepage vom Mord am Hellweg verkündet, die Idee des autorengebundenen Preises nicht ganz neu (z.B. Diamond Dagger, Grand Master, Thrillermaster), in der Konzeption und als Publikumspreis gibt es aber nichts vergleichbares. Und warum nicht: Europa ist ein zusammenwachsender Kulturraum und hat eine etablierte und weit gefächerte Krimiliteratur.
Zwei Dinge finde ich allerdings ein wenig … problematisch.
Zum einen der Name: Ripper Award: „Der Titel RIPPER AWARD basiert auf der Figur des historischen Jack the Ripper, der im Jahr 1888 im Londoner Stadtviertel Whitechapel mindestens fünf Frauen ermordete.“
Ähh … der Ripper war ein hundsgemeiner Mörder, der mindestens fünf Frauen hinschlachtete und einen ganzen Bezirk in Angst und Schrecken versetzte. Jetzt soll ein Ereignis nach ihm benannt werden, welches der Unterhaltung dient ?
Warum nicht Fritz Honka oder Jürgen Bartsch als Namensgeber ? Oder wartet man da noch 100 Jahre ?
foul is fair and fair is foul. (?)
Zum zweiten die Jury, welche die fünf Autoren auswählen soll, aus deren Kreis dann mittels „öffentliche Publikumsabstimmung (Voting)“ der Sieger ermittelt wird. Ingrid Noll, Horst Eckert, Edith Kneifl, Peter James, und (möglicherweise) „Crime Lady“ Camilla Läckberg. Alle kompetente Autoren, keine Frage. Nun mag dpr es vielleicht ein wenig anders sehen, aber deutschsprachige Autoren dürfte derzeit in Europa (noch) nicht ganz oben stehen. Eigentlich gibt es nicht ‚mal so schrecklich viele Autoren, die den Anforderungen der Auslobung genügen könnten: Ian Rankin, Fred Vargas, ceterum censeo Ken Bruen; Le Carre, Len Deighton und Ruth Rendell von den Älteren; Mankell (?) oder Minette Walters (?); vielleicht ein anderer Schwede (?)
Die Jury hat, sagen wir ‚mal, ein gewisses deutsches Übergewicht. Von Publikum, das die Wahl vornimmt, ganz zu schweigen. Ohne das ein Autor hinreichend in Deutschland bekannt ist, dürfe er also keine reellen Chancen haben. Ein Umstand der durch die Nominierungskriterien so nicht explizit vorgesehen ist – anders als beim britischen Diamond Dagger der sich explizit an englischsprachige Autoren oder ins Englische übersetzte Autoren richtet.
Dann wird’s wohl nichts für Ken Bruen.
bernd
[…] → weißt heute auf den neuen Krimipreis → “Ripper Award” hin. Die Begründung für den Namen […]
ich kann das Problem nicht sehen: da findet die kannibalistische Literatur endlich zur angemessenen Selbstbeschreibung. Schön wäre nur, wenn Frau Cornwell als erste ausgezeichnet würde (Ernst Jünger kann ja leider nicht mehr in die Jury berufen werden: er hätte seine Freude dran gehabt).
Beste Grüße!
Find ich gut, dass es endlich einen Preis für Serienkiller gibt. Wie wär’s für’s erste Jahr mit dem liebenswürdigen Serienkiller „Dexter“ von Jeff Lindsay. Und dann müssen wir überlegen, ob ein deutschsprachiger Autor einen charismatischen Serienkiller mit Serienpotential (Hey, der Gute darf nicht im Knast landen. Jedenfalls nicht lange.) erschaffen hat.
Jetzt mal abgesehen vom Namen: Ich verstehe einfach schon die Anforderungen an den / die PreisträgerIn nicht.
„…auf besondere Weise die Verantwortung für die Kriminalliteratur und ihre lebendige und zeitgemäße Weiterentwicklung…“ Was ist bittschön „Verantwortung für die KL“? Gibt es auch „tote“ WEITERentwicklungen? Was heißt „zeitgemäß“? Wenn ich mich auch nur einer dieser Fragestellungen nähere, gerate ich mit mir selbst in heilloses Diskutieren. Wie soll es dann erst der Jury ergehen…
bye
dpr
Lieber dpr,
Du weißt doch, es gibt dieses Regal, da sind die ganzen Standardsätze untergebracht. Wenn man da zugreift, hat man immer ‚was passendes.
Und klingt es nicht alles gut ?
Könnte fast aus der Ausschreibung des Ökopreises der Stadt Unna sein.
Und das beste ist: Du. Kannst. Selber. Entscheiden.
Beste Grüße
bernd
Ja, lieber Bernd, Du siehst es richtig, es sind Standardsätze. Sonst müssten sich die Organisatoren und Juroren ja mal Gedanken über Kriterien machen. Das ist bei 11.111 Euro Preisgeld einfach zu viel Arbeit. So etwas fordert Auseinandersetzung mit dem Thema. Und dummerweise ist auch jedes ernsthafte Kriterium angreifbar und diskussionswürdig. Das bedeutet noch mehr Arbeit. Dann lassen wir es doch lieber gleich bei den üblichen Phrasen, die man auch schon vom „Glauser“ kennt. Und bei Leuten, die sich so einen dämlichen Namen für ihren Preis ausdenken, wundert es mich nicht wirklich.
Ludger
Lieber Ludger,
sagen wir ‚mal, es ist ein vom Marketing inspirierter Preis (das sind natürlich die meisten Krimipreise) und das merkt man ihm ein wenig an.
Mal ehrlich: Bei den meisten Krimipreisen hat man doch eine klare Vorstellung davon, was sie auszeichnen. Und wenn es nicht gerade um so alberne Fragen wie beim Edgar geht, schaut doch niemand in den Ausschreibungstext.
Also: Grundsätzlich finde ich die Idee gut, auch wenn ich im Moment das Gefühl habe, dass da paar Leute versuchen, sich zu verheben.
Beste Grüße
bernd
Lieber Bernd,
nun, den Marketingaspekt gibt es bei fast jedem Preis. Bezahlt wird er, wenn ich die Ausschreibung nicht falsch verstanden habe, vom Steuerzahler. Völlig okay, haken wir als Kulturförderung ab.
Kritisch ist ja nicht nur der Name (aber der ist als Erstes zu ändern, sonst macht man sich wirklich lächerlich), auch die Jury-Problematik, die Du angesprochen hast, ist mehr als fraglich.
Ein europäischer Krimipreis ist an sich unmöglich. Dafür gibt es einfach zuviele Sprachen, zuviele unterschiedliche (Krimi-)Kulturen auf unserm guten, alten Kontinent. Das wird man nie soweit unter einen Hut kriegen können, dass man es halbwegs als „ausgeglichen“ ansehen könnte. Und bei allem Respekt: Wie soll eine Ingrid Noll oder ein Horst Eckert beurteilen können, ob ein Autor eine „bedeutende Rezeption im europäischen Rahmen“ erreicht hat. Sorry – aber das kann niemand und das traue ich niemanden zu, auch nicht einer fünfköpfigen Jury. Zumal ich immer Vorbehalte gegen Autorenjurys habe. Sehr verkürzt gesagt: Autoren sollen schreiben, nicht urteilen.
Du hast völlig recht: Da verheben sich ein paar Leute ganz kräftig. Wundert mich aber auch nicht.
Liebe Grüße
Ludger
Ja, lieber Ludger,
Deine Meinung zu urteilenden Autoren ist mir bekannt. Ich teile sie nicht unbedingt. Soweit ich es verstanden habe, sind (zum Beispiel) die wechselnden Jurys des Edgars auch teilweise durch Autoren besetzt.
Ein europäischer Krimipreis macht schon Sinn. Ich bin ja nun offen für amerikanische Krimipreise und Autoren, aber ich finde es schon schade, dass wir da nichts entgegen zu setzen haben.
Und „wir“ heißt für mich paneuropäisch. Dass wir in Europa unterschiedliche Krimikulturen haben, ist klar. Ist ja in den USA auch nicht viel anders. Kann ja dann weiter wachsen und sich differenzieren, so ein Preis.
Nur: Ein europäischer Preis setzt auch eine europäische Jury voraus und nicht nur eine Alibischwedin und einen Alibibriten. Ohne Kenner des französischen Marktes (und ich bin bestimmt nicht frankophil) und/oder einem Vertreter aus einem romanischen oder osteuropäischen Land führt das zu nichts – vom wählenden Publikum ganz zu schweigen.
So wird einfach der deutsche Krimibuchmarkt zum Nabel Europas.
Beste Grüße
bernd
[…] sie den Kern der Neurose, die Landerls Jakob exemplifiziert. (Insofern ist es auch folgerichtig und lobenswert, wenn ein Auslober seinen Krimipreis als “Ripper Award ” […]
[…] wird mehrstimmig: Aus den → leisen Stimmen, zu denen auch → meine gehört, werden erfreulicherweise mehr. Auch im Literaturblog → […]
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[…] Wesentlichen ist schon alles hierzu geschrieben. Ein seriöser Preis der einen europäischen Krimiautoren auszeichnet, würde Sinn machen. Aber […]
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