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salvationDas Opfer ein Atheist, der Angeklagte ein Muslim, sein Verteidiger ein Jude und dessen Detektiv ein strenggläubiger Christ. Man meint zu wissen, wo das hin führt. Doch Larry Beinhart ist ein Autor der gerne unsere Erwartungshaltungen narrt und so verschiebt sich so langsam im Verlauf der Geschichte ihr Schwerpunkt. Was sich nicht ändert, ist, dass Salvation Boulevard immer ein politisches Buch bleibt, und zwar eines, welches wesentlich mehr enthält, als man auf den ersten Blick vermutet.

Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht Carl Vanderveers, jahrelang war der als Polizist tätig, irgendwie ist er dann abgerutscht, hat mehr getrunken als notwendig, seine Frau ans Strafsystem verloren und dann Halt bei Paul Plowright, einem Prediger gefunden. Dieser ist nun nicht nur ein x-beliebiger Prediger, sondern einer der Televangelisten, mit hoher Strahlkraft, wirtschaftlichen Gespür und einer rasch wachsenden Gemeinde, die z.B. eine eigene Schule unterhält und zum ganz großen Wurf  ansetzt.

In der Gemeinde sieht man Carls Arbeit mit viel Misstrauen, Der Angeklagte sei ein Terrorist und Terroristen verdienen keine Verteidigung, sondern die Hinrichtung. Carl selber ist gespalten, natürlich möchte er den Konflikt in der Gemeinde vermeiden, doch dem Verteidiger gegenüber fühlt er sich verpflichtet und so sucht er ständig nach dem Punkt, der ihm erlaubt mit Anstand den Fall abzugeben, gleichzeitig versucht er aber auch weiter Indizien zu finden, die den Täter entlasten.

Es entwickelt sich ein hochdramatisches Buch, in dem Carl in den Mittelpunkt rückt. Er selber droht alles, neue Ehefrau, Tochter, Leben zu verlieren und der muslimische Täter wandert langsam zum Rand der Geschichte. Bis es allerdings so weit kommt, hat Beinhart die Folgen der Reaktionen auf 9/11 für die Rechte der Einzelnen noch einmal durch dekliniert.

Thematisch ähnelt Salvation Boulevard Ancient Rain von Domenic Stansberry, während jener jedoch sprachlich ein wenig mehr glänzt und eine relativ intime Geschichte erzählt, bewundert man Beinharts komplexe Geschichte, in der Carl mehr und mehr unter inneren wie äußeren Druck gerät, angegriffen und bedroht wird sowie Beinharts intellektuellen Anspruch. Das Opfer war nämlich Professor für Philosophie und sein Versuch eine Geschichte der Motivation des Glaubens zu schreiben wird im Buch reflektiert.

Salvation Boulevard ist ein klug konstruierter und mit Genuss zu lesender Krimi, welcher den USA auf mehrfache Art und Weise einen Spiegel vorhält.

bernd

Ancient_rainMit The Ancient Rain zeigt Domenic Stansberry (wieder einmal), dass seine Bücher nicht nur interessant und vielschichtig sind, sondern dass sie auch sprachlich und stilistisch überzeugen. Das meiste von dem, was über dessen Chasing the Dragon zu sagen war, trifft auch wieder auf dieses Buch zu. Ruhig und ohne albernen Pathos vorgetragen, vereint es Vergangenes und Gegenwärtiges, bringt die Reaktionen auf den „linken“ Terror der Symbionese Liberation Army aus den 70er Jahren mit denen auf 9/11 zusammen und zeigt wie die Großen und Mächtigen jedweder politischer Couleur die Interessen und Sehnsüchte der Menschen für ihre eigenen Zwecke nutzen.

Nur rein zufällig gerät Dante Mancuso, der stille, wortkarge Privatdetektiv, der einst bei der Polizei tätig war, an den Fall. Bill Owens, ein entfernter Bekannter ruft ihn an und bittet ihn sich um dessen Kinder zu kümmern, die Ehefrau sei auf Geschäftsreise und er werde gerade wegen Mordverdacht verhaftet. Es stellt sich raus, dass Owens einst Mitglied der Symbionese Liberation Army war (die einst real die Zeitungserbin Patty Hearst entführt hatte). Er soll an einem Banküberfall der Gruppe beteiligt gewesen sein, bei dem eine Kundin erschossen wurde. Im Rahmen der Terrorabwehr nach dem Einsturz der Twin Towers hat die Staatsanwaltschaft nun diesen Fall wieder aufgegriffen.

Angetrieben worden war die Staatsanwaltschaft letztlich durch die Tochter der ermordeten Frau. All die Jahre hat diese, nur durch einen Privatdetektiv unterstützt, den Fall im Bewusstsein der Öffentlichkeit gehalten und viel Häme einstecken müssen. Dante wird von Owens und dessen Anwalt gebeten, die Strategie der Staatsanwaltschaft aufzudecken und herauszufinden ob diese neue Indizien präsentieren kann.

Es ist der Kampf des Staatsanwaltes gegen den Terror – die Geschichte spielt Ende 2002, Anfang 2003 – und da er dem Publikum keinen Islamisten vorführen kann, muss eben Owens herhalten. Im Schatten dieser Auseinandersetzung stehen die Tochter und der ihr treu ergebene Privatdetektiv, beide sind nicht in dem Umfang medienpräsentabel, wie es sich der Staatsanwalt vorstellt. Im Schatten steht aber auch Owens. Der führt mittlerweile ein bürgerliches Leben und im Grunde geht es auch gar nicht um ihn, sondern um die Hintermänner, und diese sind es dann auch, die die Verteidigung übernehmen.

Es ist schon sehr pfiffig, wie Stansberry das Thema der Gefährdung bürgerlicher Freiheiten im Namen der Terrorabwehr angeht und diesem neue Gesichtspunkte abgewinnt. Die veschiedenen Ebenen der Geschichte sind sehr zwanglos miteinander verbunden, der Leser kann die Verbindungen beim Lesen entdecken, wird aber nicht mit aller Gewalt drauf gestoßen. Die gleiche Unaufdringlichkeit findet sich bei den Personen des Buches, die alle in kurzen Abschnitten selber einmal zum Fokus der Darstellung werden können. Diese Personen biedern sich nicht an, sie handeln aber alle nachvollziehbar und geben der Geschichte zusätzliche Komplexität. Auch sprachlich ist Ancient Rain ein Vergnügen. Stansberry erzählt nicht nur einfach eine Geschichte, immer wieder stößt man auf liebevoll polierte Sätze und Abschnitte.

bernd

Hammett Prize 2008

Am Wochenende wurde von der International Association of Crime Writers (Nordamerikanische Sektion) der diesjährige Hammett Prize vergeben. Mit dem Preis werden Bücher von „hoher literarischer Qualität“ im Bereich des Krimigenres“ ausgezeichnet.

In einer starken Konkurrenz dieses Jahr hat sich

durchgesetzt.

Für Pelecanos war eine derartige Würdigung sicher längst fällig – aber ich bleibe dabei, es ist nicht sein stärkstes Buch.

Die anderen nominierten Bücher gibt es -> hier.

Mit Dank an Gumshoe

bernd

Nächstes Wochenende steht die Vergabe des Hammetts Prizes 2008 durch die „International Association of Crime Writers“ (IACW/NA ) an.

Die folgenden Werke sind nominiert:

Leading Lady von Heywood Gould
The Finder von Colin Harrison
City of the Sun von David Levien
The Turnaround von George Pelecanos
South by South Bronx von Abraham Rodriguez

Dieses Jahr zeigt der Hammett Prize den Edgar Awards wie es geht. Er rückt moderne, spannende und intelligente Bücher in den Mittelpunkt. Bücher, die zeigen, dass der US-amerikanische Krimi mehr zu bieten hat als effizient geschriebene, ewig ähnliche Thriller mit depressiven Akteuren. Beinahe wirkt der Hammett Prize dieses Jahr wie ein New Yorker Regionalwettbewerb, aber die vertretenen Bücher bilden in ihrer Gesamtheit die Bandbreite der US-Gesellschaft recht gut ab.

Leading Lady handelt von alten Einwanderergruppen und deutet den Wandel der US-Gesellschaft an. Ein Einbrecher will sich rächen, nachdem er beim letzten Ding verraten wurde und trifft auf die Mafia und die US-Geheimdienste. Erzählt wird eine rasante Geschichte, mit viel Action, Toten und Lug und Betrug. Es ist eine Mischung zwischen Noir und Krimi im Mafiamilieu, mit Elementen des Spionagekrimis, unterlegt mit dem leicht schnoddrigen Ton eines Con-Artist-Krimis, so trocken ist wie bestes Brennholz. Immer wieder blitzt Ironie auf, die dem Buch eine ungemeine Leichtigkeit vermittelt.

The Finder konfrontiert die Welt der modernen chinesischen Einwanderer mit der Welt der Hochfinanzen. Ein chinesischer Gangster sucht seine in New York entführte Tochter. Vor der derzeitigen globalen Krise der Finanzmärkte geschrieben, vermittelt es doch etwas von der Arbeitsweise und Verletzlichkeit dieser Märkte. Selten hat man aber auch so klar gezeigt (nicht: erklärt) bekommen, wie denn so ein Moloch an Stadt wie New York funktioniert. Harrison ist ein Philosoph der kleinen Dinge und hat ein Gespür für die Personen. Mit seiner Geschichte und diesen Personen ist The Finder ein eigenständiges, gut erzähltes Buch. Es ist durchdacht und überhaupt klug und lädt den Leser ein über ganz unterschiedliche Dinge nachzudenken.

South by South Bronx dagegen spielt in der Welt der zweiten Generation puertoricanischer Einwanderer. Im Mittelpunkt stehen drei Männer, die irgendwie in der Schaffenskrise stecken. Maler, der eine, Autor, der zweite, Liebhaber, der Dritte. Mehr noch als die Geschichte um das „große Ding“ sind es die Personen, die im Mittelpunkt des Buches stehen, ihr Ausbruch aus der Erstarrung in der sie stecken, ist das eigentliche Thema des Buches. Darüber hinaus ist es aber auch ein Buch in dem FBI, CIA, die örtliche Polizei, das große internationale und das kleine lokale Verbrechen in der South Bronx aufeinander treffen. Sprachlich ist das Buch ungemein überzeugend: Gleich am Anfang ist es der knappe, ganz eigene Stil des Autors, der einen in den Bahn zieht, und der das Buch auch nie wieder verlässt.

George Pelecanos dagegen erzählt (wieder einmal) von den Grenzflächen schwarzer und weißer Welten. Pelecanos erzählt mit einer unaufdringlichen Selbstverständlichkeit und Effizienz, die immer wieder beeindruckt, dabei ist die Rasanz und der „Streettalk“ von früher gewichen – vielleicht spricht Sarah Weinman deshalb auch mittlerweile von der mittleren Schaffensperiode des Autors. Natürlich, Pelecanos kann da wohl nicht aus seiner Haut, es sind überwiegend Gutmenschen, die da auftreten und von einem Bösewicht aus ihrer Ruhe gerissen werden. Mit diesem Buch ist Pelecanos in der Gegenwart angekommen, der Irakkrieg und seine Folgen für die körperliche und seelische Unversehrtheit ebenso wie die Angst und die Sorgen der Angehörigen, er ist ein wichtiges Thema. Dabei richtet Pelacanos nicht, aber es ist ein Ton der zwischen Patriotismus und Verzweiflung liegt.

Einzig City of the Sun spielt in der Vorstadt. Die schöne heile Welt eines Elternpaars bricht zusammen, als eines Tages deren 12 jähriger Sohn während des Zeitungsaustragen verschwindet. Im Mittelpunkt des Buches steht der Detektiv und seine Suche, immer weder muss dieser erleben, wie er eine Spur auftut um dann zu beobachten, wie diese wie Schwarzpulver verglimmt, um dann unter der Asche nach neuen Hinweisen suchen zu müssen. Letztlich ist er so etwas wie der Retter, den die USA letztes Jahr suchten. Beschädigt, aber unbeirrbar wühlt er sich voran. Levien beherrscht es die Geschwindigkeit seiner Erzählung zu variieren und immer weder Überraschungen zu setzen. Er ist ein wunderbarer Erzähler, der nicht nur eine spannende Geschichte erzählt, sondern auch, wenn er nämlich von den Eltern und deren Leben berichtet, eine emotionale, die ohne Technicolorpathos daher kommt. Es ist ein eigentümlich geschmeidiger Stil, in dem Levien schreibt, ohne aufgesetzten Thrillereffekten,

Fünf hervorragende Bücher allesamt. Alleine mit Pelecanos The Turnaround hadere ich etwas. Es sind viele vertraute Elemente in dem Buch. Insbesondere die ersten sechzig Seiten enttäuschten mich bei aller stilistischen Qualität ein wenig, die Arbeit in der Küche des Restaurants, die raschen Wechsel der Perspektive zwischen Personen von denen der Leser ahnt, dass sie aufeinander zusteuern, ja selbst die Charaktere, alles Elementen die Pelecanos immer wieder verwendet – Alex Bussmers hingegen, der ebenfalls regelmäßig Pelecanos liest,  hatte sich daran nicht gestört.

Abraham Rodriguez hat ein starkes Buch geschrieben, aber es ist nicht unbedingt das Krimielement im Buch, das überzeugt.

Die drei anderen Bücher dagegen sind absolut überzeugend. Ein wenig die Nase vorne bei mir hat Leading Lady, da es so zeitlos wirkt und Moderne und Klassik geschickt mischt.

bernd

triggercity_MM_plainRay Drudgeon ist Privatdetektiv in Chicago. Er wirkt wie ein Nachfahre Philip Marlowes. Dieses meinte man auch schon im Vorgängerbuch und Erstling des Autors Big City, Bad Blood zu spüren. Ansonsten, so kann man erfreut feststellen, hat Trigger City mit dem Buch, welches im letzten Jahr für viel Furore sorgte, stilistisch gar nicht so viel gemein. Mit der Freundin, die einfach nicht in ständiger Angst um ihn leben will, scheint auch ein wenig der Impetus Rays abhanden gekommen zu sein. Trigger City ist im Vergleich wenig Thriller, Ray verletztlicher und das Buch mehr für Verschwörungstheoretiker geeignet.

Ray wird von einem pensionierten Oberst gebeten, den Tod der Tochter aufzuklären. Eigentlich scheint die Sache klar. Die Tochter hat die Buchhaltung einer größeren Firma geleitet und wird eines Tages von einem Programmierer, den sie angestellt hatte, erschossen. Kurz danach begeht der Täter Selbstmord. Der Ablauf, wie gesagt, ist unstrittig, doch die Motivation des Täters, die Beziehung zwischen ihm und der Tochter wünscht der Vater aufgeklärt.

Schnell stellt Ray fest, dass hinter dem Fall wohl mehr steckt als eine persönliche Beziehung zwischen Opfer und Täter. Die Informationen, die Ihm die Menschen geben, die Opfer und Täter kannten, scheinen alle nicht ganz wahr zu sein. Er merkt, dass er beobachtet wird und dann irgendwann erhält er auch den Hinweis, dass es lukrativer für ihn wäre den Fall fallen zu lassen.

Man könnte sagen, Trigger City ist ein Privatdetektivkrimi mit Elementen des Spionageroman. Was da am Ende ‚raus kommt, speist sich aus der damalige (2008) Paranoia der US-Bürger, die Dienste der USA überschritten gelegentlich Grenzen. Diese Geschichte entwickelt Chercover streng nach den Spielregeln des Noirs, weit weniger demonstrativ als es zum Beispiel eine Sara Paretsky tut. Die Art und Weise, wie Chercover das macht, ist geschickt. Da wird wenig souffliert, sondern eher stillschweigend entwickelt sich die Paranoia im Buch.

Die Figur Rays passt sehr gut dazu. Der braucht eigentlich gar keine Paranoia, sein Leben genügt da vollkommen. Die abhanden gekommene Freundin, die Polizei, die sein Tun mit Missfallen beobachtet und ein Fall, der sich ganz anders entwickelt, da kommen Mitspieler hinzu, von deren Existenz man am liebsten gar nicht wüßte.

Vielleicht kein besonders innovatives Buch, mit einem Privatdetektiv, der innerlich und äußerlich unter Druck steht, aber ein gut gemachtes. Auch wenn eine allgemeine Bedrohung ständiger Gast in Big City, Bad Blood war, ist Trigger City erfreulich anders als der Vorgänger.

bernd

Die Besten im Oktober 2009

Bei -> Arte gibt es die Krimiwelt-Bestenliste des Monats Oktober 2009:

1. Wolf Haas: Der Brenner und der liebe Gott

2. James Sallis: Dunkle Schuld

3. Tana French: Totengleich

4. Warren Ellis: Gott schütze Amerika

5. Friedrich Ani: Totsein verjährt nicht

6. Ulrich Ritzel: Beifang

6. David Peace: Tokio im Jahr Null

8. Reggie Nadelson: Kalter Verrat

9. Richard Stark: Das Geld war schmutzig

10. Andrew Brown: Schlaf, Mein Kind

Vorübergehend kehrt Ruhe ein in die Bestenliste. Lediglich zwei neue Titel. Rausgeflogen: Ken Bruen, aber das ist bei Jack Taylor ja Programm. Neu aufgenommen wurde Tokio im Jahr Null, ein ebenso erklärungsbedürftiges wie -würdiges Buch.  Wolf Haas hat es nunmehr auf Platz eins geschafft, vermutlich ist es unterhaltsam, aber schon beim Lesen des letzten Buches war bei mir der Rausch des Neuen, der Haas erste Bücher umgab, verflogen und eine gewisse Gewöhnung (beinahe Langeweile) hatte sich eingestellt.

Fünf der zehn Bücher sind Tb-Ausgaben, drei der Bücher sind von deutschsprachigen Autoren, zwei Bücher sind von Frauen geschrieben, zwei der Titel sind neu.

bernd

city of the sunJedes Jahr verschwinden circa 800.000 Kinder in den USA. Viele von diesen laufen lediglich für eine kurze Zeit von daheim weg, manche jedoch bleiben für immer verschwunden. Während Jan Burke aus diesen Thema ein vielsträngiges, komplexes Drama macht, legt David Levien mit seinem Erstling einen knackigen, intelligent geschriebenen Thriller vor, bei dem die Eltern und ihre Suche nach einer Antwort eine wesentliche Rolle spielen.

13 Monate nachdem der 12 Jahre alte Jamie verschwunden ist, wenden sich die Eltern an Frank Behr. Der ist ein einsamer Wolf, aus der Polizei verstoßen und kommt dem Detektiv klassischer Prägung einigermaßen nahe. Nicht, dass er sich darum risse einen aussichtslosen Fall zu übernehmen, aber er erweist sich als idealer Detektiv für diesen Fall. Nicht nur, weil er hartnäckig und unbeirrbar einige kalte Spuren auftut, die er dank guter Informanten und seiner ungeheuren physischen Präsens verfolgen kann, sondern auch, weil er Ähnliches schon selber erlebt hat.

Es ist ein Buch, dem man definitiv nicht ansieht, dass es ein Erstling ist. Aber da Levien ein erfolgreicher Drehbuchautor in Hollywood ist, kann man ihn auch kaum als unerfahren bezeichnen. Im Mittelpunkt steht ganz klar Behr und seine Suche, immer weder muss dieser erleben, wie er eine Spur auftut um dann zu beobachten, wie diese wie Schwarzpulver verglimmt, um dann unter der Asche nach neuen Hinweisen suchen zu müssen. Als Person ist Behr natürlich nahe am Klischee des klassischen Privatdetektives, in der Summe seiner Eigenschaften und insbesondere mit der Fähigkeit über sich selbst auch ohne Flasche am Hals reflektieren zu können und dann auch Konsequenzen für sich ableiten zu können, entwickelt er allerdings genügend eigenständige Persönlichkeit.

Behr ist so etwas wie der Retter, den die USA letztes Jahr suchten. Beschädigt, aber unbeirrbar wühlt er sich voran.

Levien beherrscht es die Geschwindigkeit seiner Erzählung zu variieren und immer weder Überraschungen zu setzen. Er ist ein wunderbarer Erzähler, der nicht nur eine spannende Geschichte erzählt, sondern auch eine emotionale, die ohne Technicolorpathos daher kommt. Die Beziehung der Eltern zum Beispiel ist nach der langen Zeit der Verzweiflung auf den Hund gekommen, man hat sich nichts mehr zu sagen, jeder lebt in seiner eigenen Welt. Levien beschreibt dieses nüchtern, nachvollziehbar.

Es ist ein eigentümlich geschmeidiger Stil, in dem Levien schreibt, ohne aufgesetzten Thrillereffekten, aber es ist einer, der den Leser antreibt zu sehen, wohin die Suche Behr führt und wohin die Eltern gelangen.

City of the Sun lotet seine Geschichte tief aus, fesselt den Leser  und ist gelungen vorgetragen.

bernd

empty ever afterReed Farrel Coleman ist eines der großen US-amerikanischen Autorentalente, Empty ever after macht das nur zu deutlich. Trotz des Gewinns zahlreicher Preise und noch mehr Nominierungen, beim breiten US-Publikum scheint Coleman nur wenig bekannt zu sein. Für dieses Buch hat er sich offensichtlich einen neuen Verlag suchen müssen. Es wirkt wie der Abschluss der Serie um Moe Prager, die, wie die Jack Taylor-Serie von Colemans Freund Ken Bruen als Ganzes zu sehen ist, als ein Werk, in dem die einzelnen Bücher lediglich einzelne Kapitel darstellen.

Der Hinweis FaulknersThe past is never dead. It isn’t even past.“, den Moe in Soul Patch, dem vorausgegangenen Band zitierte, könnte als Motto der gesamten Serie voraus gestellt werden – er passt auch sehr gut zu Empty ever after, dem (bisherigen) Kulminationspunkt.

Eine alte Geschichte verband ihn auf ewig und im Hass mit seinem Schwiegervater. „Do you believe in ghosts ?“ war immer wieder dessen Frage. Mit dem Tod des Schwiegervaters wurde die Büchse geöffnet und all die Geister kommen ‚raus, die Moe in den vorangegangenen Büchern angesammelt hatte und sie verfolgen ihn.

Empty ever after beginnt damit, dass Unbekannte das Grab des Schwiegervaters verwüsten, und Moe frühere Frau einen Geist sieht. Moe ahnt, was da passiert sein könnte und ihn, seine Frau und die Tochter bedroht und er macht sich mit all seiner Kraft auf, die zu finden, die hinter all dem stecken.

Welch maligne Kraft setzt Coleman da frei: Empty ever after ist ein verstörendes, emotionales Buch, das Moe und den Leser bis auf Äußerste fordert. Es bringt die verschiedenen Geschichten der Vorgängerbücher alle noch einmal zusammen. Dabei muss man die Vorgänger nicht kennen, aber es ist schon erstaunlich, wie zwanglos die Geschichten, die Coleman über mehrere Jahre geschrieben hat, hier zusammen kommen.

Wie die Vorgänger ist Empty ever after ein wunderbar geplottetes Buch, voller philosophischer Gedanken, großer Melancholie und zarten Humor. Einst hatte Coleman als Poet begonnen, seiner Schreibe sieht man das immer wieder an, die Wortwahl, die vielschichtige Art und Weise wie z.B. mit dem Begriff „Geist“ umgegangen wird, das ist pures Lesevergnügen.

Mit Ken Bruens Jack Taylor fliegt raus wurde eine der letzten größen Lücken in der deutschen Krimilandschaft geschlossen, nun wird es also auch Zeit, dass sich einer der Verlage Coleman annimmt und dessen Moe Prager Serie in der Geschlossenheit, die diese verdient und benötigt auf den deutschen Markt bringt.

bernd

blue doorDavid Fulmer ist der Autor mehrerer Bücher, die in der dunklen Vergangenheit der USA angesiedelt sind. Helden seiner Bücher waren bisher „farbige“ Männer, mit denen Fulmer zeigt, unter welchen Bedingungen nicht-Weiße in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den USA lebten.  The Blue Door ist nicht wirklich anders, auch wenn der Held des Buches, ein weißer Boxer italienischer Abstammung ist.

Eddie Ceros Zeit als Boxer geht zu Ende. Beim letzten Kampf ist wieder einmal der Cut über der Braue geöffnet worden. Zufälligerweise kann er auf dem Heimweg einem Mann helfen, als dieser überfallen wird und zufälligerweise, so stellt sich ‚raus, ist dieser Mann Privatdetektiv. Er bietet Eddie einige kleinere Jobs an, und wider Willen bleibt Eddie bei der Stange und wird so etwas wie ein Schüler des Mannes.

Er stößt auf Valerie, schwarze Sängerin in einem ‚Nachtclub. Sie fasziniert ihn und zieht ihn in ihren Bann. Vor wenigen Jahren war sie Mitglied der Excels, einer Band, die an der ganzen Ostküste erfolgreich war, bis dann eines Tage und plötzlich Johnny der Leader der Band verschwand. Eddie fragt sich, was denn wohl damals vor drei Jahren mit dem Sänger passiert war und ehe er sich versieht, ist er Mitten in den Ermittlungen, die vor ihm auch schon Polizei und erfahrene Privatdetektiv anstellten.

Nun ja, die Rahmenhandlung ist wohl einfach eine Rahmenhandlung. Im Weiteren stolpert Eddie ein wenig durch „seinen Fall“, trifft auf viele Widerstände, zwei Männer werden getötet, und irgendwie bringt er seine Gesprächspartner immer wieder dazu, obwohl sie es eigentlich nicht möchten, mit ihm zu reden, So zeichnet sich mit der Zeit ein Bild ab, alle scheinen sich sicher, dass Johnny getötet wurde und am Ende findet Eddie dann auch die Lösung.

David Fulmer hat als Journalist viele Artikel über Musik geschrieben. Die Musikszene der jeweiligen  Zeit und Region in der die Bücher spielen, ist immer ein wichtiger Bestandteil seiner Bücher. Hier also Philadelphia, bevor der sog. Philly Sound entstand und Soul und Rock noch dominierten. Die Atmosphäre der Nachtsclubs und Kaschemmen, die Vibes der Straße, ihre Sprache und die Einfachheit des Lebens, all das bringt The Blue Door gut rüber. Wobei einem aber auch immer wieder das wörtchesche Diktum anlässlich des ersten Buch des Autors einfällt „It don’t mean a thing, if it ain’t got that swing“, manchmal wirkt doch alles ein wenig angelesen.

Schwachstelle des Buches ist die Pace. Das liest sich wie Wassertreten. Der Autor ist so sehr damit beschäftigt, an seiner (wie gesagt, gelungenen) Atmosphäre zu basteln und an den Reflektionen Eddies teilhaben zu lassen, dass er vergießt auch gelegentlich ‚mal das erzählerische Gaspedal zu bemühen. Kurzum: The Blue Door ist das Buch für Jägers des Atmosphärischen, die mal Straßenluft schnuppern wollen. ohne dass es gleich „richtig“ dirty sein soll.

bernd

200px-Leading_LadyEigentlich ist Jerry Lang ein ganz normaler Einbrecher, aber er hat daraus eine kleine Kunst entwickelt. Die Leading Lady ist die Frau, die ihm während des Jobs voraus geht. Hübsch und schauspielerisch begabt, ist sie es, welche die Menschen nicht täuscht, sondern ablenkt, so dass diese Jerry hinter ihr gar nicht beachten. Jahrelang war er mit Gloria erfolgreich unterwegs und und auch außerhalb der „Bühne“ ein Paar. In der New Yorker „Szene“ hatten sie sich einen guten Ruf erarbeitet. Dann geht ein Ding schief, irgendwer hat gequatscht, plötzlich sind da bewaffnete Typen, wollen ihn „auf der Flucht“ erschießen und töten tatsächlich sie.

Jerry landet ihm Gefängnis. Dort will ihm wer ans Leder. Mehrfach. Auch nach mehreren Umzüge, in andere Anstalten, muss er sich mit viel Glück und Spürsinn seiner Haut erwehren. Dann ergibt sich die Gelegenheit zur Flucht. Jerry ergreift sie und kommt zurück nach New York um den Verräter zu finden und sich zu rächen.

Leading Lady ist ein ganz außerordentliches Buch, eines zu dem man kaum Besprechungen ergoogeln kann und auf das ich (wieder einmal) nur Dank der Nominierung für den Hammett-Prize aufmerksam wurde. Es ist eine Mischung zwischen Noir und Krimi im Mafiamilieu, mit Elementen des Spionagekrimis, unterlegt mit dem leicht schnoddrigen Ton eines Con-Artist-Krimis. Dabei hat Gould eine Schreibe , die so trocken ist wie bestes Brennholz und immer wieder blitzt ein ironischer Ton auf, der dem Buch eine ungemeine Leichtigkeit vermittelt. Insbesondere jedoch ist es eine ganz rasante Geschichte, mit viel Action, Toten und Lug und Betrug.

Die Hand über Jerry und aufgehalten hat jahrelang ein Mafiosi, mittleres Management. Die alterwürdige Mafia verleiht dem Buch eine gewisse Patina, aber tatsächlich spielt es im Hier und Jetzt. Bushs „Krieg gegen den Terror“ entkommt man eben kaum, auch nicht in New York. Jerry ist Nostalgiker, während er seine alte Leading Lady rächen will, findet er eine neue, und dieser zeigt er so ganz nebenbei die alten Wirkungsstätten krimineller Glorie. Da diese zumeist untergegangen sind, ist es auch ein Buch, welches den Wandel der Stadt und den Wechsel der Volksgruppen im Stadtbild zeigt.

Leading Lady wirkt zeitlos und mischt Moderne und Klassik geschickt. Es ist ein Buch, welches man sich im Kopf als Schwarz-Weiß-Film vorstellt und tatsächlich hat Heywood Gould auch einige Drehbücher bekannterer Filme geschrieben. Aber dieses Buch ist viel zu gut geschrieben, um es nicht lesen zu wollen.

bernd