(Da ich Mikrobiologe bin, sieht man mir es hoffentlich nach, wenn ich gelegentlich mikrobiologische Themen aufgreife)
Vor einer Weile stellte ich -> hier „ethische Regeln“ für Blogger vor, natürlich hatte ich dabei implizit die Erwartung, dass diese Regeln nicht nur für Blogger sondern für alle (halb)seriösen Beiträge zu gelten hätten. Ein Beispiel gefällig ?
Nun, Zecken.de ist ein Internetauftritt, der über Zecken und den von ihnen übertragenen Krankheiten informieren möchte. Da durch Zecken übertragene Infektionen häufig sind, schwer verlaufen können und einige von ihnen durch vorbeugende Maßnahmen verhindert werden könnten, durchaus eine sinnvolle Sache.
Zwei Erkrankungen sind es insbesondere, die dabei in Deutschland und Österreich eine Rolle spielen. Die durch Bakterien ausgelöste Borreliose und die durch Viren ausgelöste FSME (Frühsommer Meningoenzephalitis). Die Wahrscheinlicheit nach einem Stickenstich (nicht Biss !) eine Infektion mit einem der beiden Erreger zu bekommen, liegt bei uns bei circa 1%. Wobei zu beachten ist, dass nicht jede Infektion auch zu einer Erkrankung führt.
Gegen Borrelien kann man sich nicht schützen, allerdings muss der Saugakt der Zecke mindestens 24 Stunden dauert, damit es zu einer Borrelieninfektion kommen kann. Deshalb ist das Risiko dieser Infektion nicht besonders groß, wenn man sich konsequent nach jedem Waldbesuch nach Zecken absucht. Gegen FSME-Viren schützt eine Impfung. Und (wir sind ja schließlich bei einem Blog, der sich mit Krimis beschäftigt) bei solchen Sachen geht es immer um viel Geld. Zwei Anbieter für den Impfstoff gibt es, man kann also von einem Oligopol sprechen.
Auf Zecken.de gibt es nun einen sehr schönen und informativen Film über Zecken, ihre Habitate und ihrem komplizierten Vermehrungszyklus (-> hier zu bewundern). Sehr professionell gemacht und mit phantastischen Bilder.
Bei genauerer Betrachtung fällt allerdings auf, dass der Film, wie Zecken.de überhaupt, ein wenig auf Panik macht – gar nicht professionell und kaum begründet. So deutet die graphische Darstellung der Verbreitung von FSME in Deutschland auf eine rapid zunehmende Ausbreitung der Infektionserkrankung hin. Was so schlichtweg nicht richtig ist. Und dass diese ungesicherte Ausbreitung, wie im Film angedeutet, durch die globale Erwärmung verursacht wird, dafür liefert der Film auch überhaupt keine Daten (wäre auch kaum möglich).
Sehr eigenartig mutet ein sprachlicher Fauxpaux des Filmes an: Da wird von der Virus gesprochen (soviel Besserwissi muss sein). Eine Todsünde unter Virologen und ein sicheres Zeichen, dass der Film (an dieser Stelle) keinen fachlich virologischen Input hatte.
Wenn man sich den Auftritt genau ansieht (und auch das Impressum aufsucht), dann erkennt man, dass Zecken.de ein Produkt von Baxter ist – beim Film wird leider überhaupt nicht erkennbar, woher er kommt oder wer ihn ggf. sponsorte) – und Baxter verdient sein Geld mit FSME-Impfstoff. Und schon versteht man, weswegen hier der Ball relativ hoch gespielt wird. Das erklärt auch, warum die viel häufigeren Borrelien und ihre Übertragung (die anders verläuft als bei FSME) im Film nicht vorkommen: Baxter verdient kein Geld mit ihnen.
Und so etwas ist ethisch nicht korrekt. Die Information, dass Baxter Impfstoffproduzent ist (und also einen Interessenkonflikt bestehen könnte), gehört meiner Meinung nach zum Film und zum Auftritt.
(Meine beiden Söhne fanden den Film übrigens „cooool“)
bernd
das, lieber Bernd, schreit jetzt grad nach dem verallgemeinernden Luhmann-Zitat:
„Was wir über die Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien. […] Andererseits wissen wir so viel über die Massenmedien, daß wir diesen Quellen nicht trauen können. Wir wehren uns mit einem Manipulationsverdacht, der aber nicht zu nennenswerten Konsequenzen führt, da das den Massenmedien entnommene Wissen sich wie von selbst zu einem selbstverstärkenden Gefüge zusammenschließt. […] [Die Frage] lautet nicht: was ist der Fall, was umgibt uns als Welt und als Gesellschaft. Sie lautet vielmehr: wie ist es möglich, Informationen über die Welt und über die Gesellschaft als Informationen über die Realität zu akzeptieren, wenn man weiß, wie sie produziert werden?“ (Die Realität der Massenmedien, ganz am Anfang und ganz am Ende, Hervorhebungen technisch getilgt).
Und — schwupps — wären wir wieder bei der Diskussion über die Abbildung von Wirklichkeit in Krimis …
Beste Grüße und Dank für den schönen Text!
Ja, lieber JL, auch ein Krimileser freut sich über dieses Zitat.
Zwei Gedanken kommen mir dabei. 1. Ich habe ‚mal gelesen, dass selbst viele Bildleser nicht glauben, dass diese Zeitung es mit der Wahrheit sehr genau nähme. 2. Gibt es viele Leser, die Dan Browns gediegenen Unfug gerne glauben möchten.
Beste Grüße
bernd
[…] ist eine virale Tropenkrankheit. Ähnlich wie bei der Frühsommer Meningoenzephalitis (-> FSME) wird das Virus nicht von Mensch zu Mensch, sondern durch blutsaugende Tiere (hier : Mücken der […]